Dienstag, 31. März 2015

Gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt! Nicht für alle?

Kopftuch

Gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt! Nicht für alle?

Benachteiligung aufgrund der Herkunft oder Religion gibt es überall – auch in Deutschland. Ob jemand „voll integriert“ und qualifiziert ist, spielt dabei keine große Rolle. Die Stereotype und Vorbehalte sitzen nunmal fest in den Köpfen. Wie sich diese im Alltag bemerkbar machen, schreibt Sebahat Özcan, ausgehend von einer (leider) wahren Geschichte.
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Frauen mit Kopftuch sind häufiger Opfer von Diskriminierung © by Hafez auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ
Frauen mit Kopftuch sind häufiger Opfer von Diskriminierung © by Hafez auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ
Rabias weißes Kopftuch flattert im Wind. Sie fühlt sich frei wie ein Vogel. So groß ist die Erleichterung. Nach einem jahrelangen harten Pharmaziestudium ist sie nun Pharmazeutin. Ganz unkontrolliert lächelt sie über ihr ganzes Gesicht. Sie hat ihr zweites Staatsexamen tatsächlich mit einer 1,7 bestanden. Sie hat zahlreiche Bewerbungen losgeschickt. Wenn sie angenommen wird, ihr praktisches Jahr zu Ende bringt und ihr drittes Staatsexamen besteht, ist sie endlich Apothekerin.
Zuhause angekommen, legt sie ihre Tasche ab. Ihr Mann begrüßt sie. “Herzlichen Glückwunsch”, grinst er freudig, “du hast morgen um 10 ein Bewerbungsgespräch.” Rabia macht fast einen Luftsprung. “Super!”, ruft sie glücklich und macht sich direkt an die Vorbereitungen.
Am nächsten Tag ist Rabia in einer renommierten Apotheke in Frankfurt. Groß, hell und freundlich. Sie fühlt sich wohl. “Hier würde ich so gerne arbeiten!”, denkt sie sich. Das Gespräch läuft bestens. So gut, dass Rabia fast keine Zweifel daran hat, angenommen zu werden. Die Apothekenleiterin erhebt sich und reicht Rabia die Hand, Rabia tut es ihr gleich. “Schön, ich freue mich, Sie in unserem Team zu haben”, sagt die Leiterin.

Das Kopftuch ablegen?

Ganz sichtlich fällt ihr noch etwas ein: “Ehm, noch etwas. Eigentlich habe ich keinen Zweifel daran, aber ich möchte es trotzdem vorsichtshalber ansprechen. Dass Sie mit Kopftuch nicht arbeiten können, ist Ihnen klar, oder?” Es ist wie ein schlechter Scherz, der Rabia aus ihrem Märchen reißt. Rabia ist ein wenig verwirrt. “Ich dachte, es sei kein Problem. Es steht doch sonst nichts im Weg?” Die Apothekenleiterin lässt Rabias Hand los. Auch sie ist ein wenig verwirrt.
Anscheinend hat sie das nicht erwartet. “Ich sehe es als selbstverständlich an, dass eine Frau mit Kopftuch nicht in einer solch renommierten Apotheke arbeiten kann.” Sie lässt sich langsam auf ihren Sessel zurückfallen. Rabia bleibt stehen und sieht sie erwartungsvoll mit großen Augen an. “Passiert das gerade wirklich?”, staunt sie und will es nicht glauben.
“Ich toleriere natürlich ihre Religionszugehörigkeit. Das ist ja ganz schön an etwas zu glauben, aber ich kann Sie doch nicht immer verstecken, wenn Kunden kommen. Immerhin müssen Sie hier Menschen beraten und betreuen. Was soll ich denen denn sagen, wenn sie mich darauf ansprechen? In meiner Apotheke kann keine Frau mit Kopftuch hinter der Theke stehen.” Wie viele andere geht sie wohl davon aus, das Kopftuch stünde für die Unterdrückung der Frau und nicht für ihre Freiheit. “Wie Sie daran glauben, kann ich natürlich nicht beurteilen. Aber ich kann sowas nicht unterstützen.”
Sie sieht Rabia entschlossen in die Augen. Dann lächelt sie ermutigend: “Sollten Sie Ihre Meinung bezüglich des Kopftuches ändern, sind Sie bei uns herzlich willkommen. Ich kann es mir nicht leisten, Kunden zu verlieren.”

Aus dem Alltag Keine Vorurteile auf dem Wohnungsmarkt! Oder?

Aus dem Alltag

Keine Vorurteile auf dem Wohnungsmarkt! Oder?

Benachteiligung aufgrund der Herkunft oder Religion gibt es überall – auch in Deutschland. Ob jemand “voll integriert” und qualifiziert ist, spielt dabei keine große Rolle. Die Stereotype und Vorbehalte sitzen nunmal fest in den Köpfen. Wie sich diese im Alltag bemerkbar machen, schreibt Sebahat Özcan, ausgehend von einer (leider) wahren Geschichte.
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Wohnung
Wohnungssuche mit ausländischem Namen - nicht einfach. © by Px4u by Team Cu29 auf flickr.com (CC BY 2.0), bearbeitet IslamiQ
Deniz Seven legt den Hörer auf. Erwartungsvoll blickt ihn seine Frau an “Und?”, “Wir sollen direkt unterschreiben kommen.”, freut er sich. Auch Sevil ist erleichtert. Schnell verschwindet sie im Schlafzimmer, um für sich und ihrem Mann die richtige Kleidung rauszusuchen. “Schön, dass es auf Anhieb geklappt hat. Wir haben zwar nur Bilder von der Wohnung gesehen, aber sie scheint tip top zu sein.”, sagt Sevil unterwegs. “Vor allem bin ich überrascht, dass er uns die Wohnung versprochen hat, bevor wir uns überhaupt richtig vorstellen konnten.” “Er weiß, dass wir beide jeweils einen guten Job haben. Für den Vermieter ist das Wichtigste, dass er am Ende des Monats die Miete bekommt, denke ich”, sagt Deniz.
Bei der Wohnung angekommen, steht schon ein Mann mittleren Alters vor der Haustür. “Das ist er bestimmt”, denken sich Sevil und Deniz im selben Moment. Als beide aussteigen und auf ihn zugehen, ändert sich so langsam sein Gesichtsausdruck. Der Vermieter schaut weg. Vielleicht ist er ja in Gedanken versunken? Auch wenn das Deniz und Sevil ein bisschen irritiert, reicht ihm Deniz als Erster die Hand. “Guten Tag”, sagt er. “Hallo”, entgegnet der Vermieter. Anscheinend hat er sich Deniz und Sevil ein bisschen anders vorgestellt. “Ich habe gleich einen wichtigen Termin.”, fügt er hinzu, um deutlich zu machen, dass er gerade keine Zeit für die beiden hat. “Ich bin Deniz Seven und das ist meine Frau Sevil Seven”, sagt Deniz. Am Telefon hatte er seinen Namen nur buchstabiert, weil er sonst oft falsch notiert wird. Der Vermieter lässt sich seine negative Überraschung ganz offen anmerken. “Ach so”, sagt er, “dann lassen Sie uns mal reingehen.”
Sie gehen hinein. Ein lichtdurchfluteter Flur führt direkt in ein schönes großes Wohnzimmer. Die Wohnung ist toll. “Ich dachte, Sie seien Amerikaner. Seven, wie sieben halt.” Sevil lacht. Deniz und Sevils Eltern kommen jeweils aus der Türkei und ihre Hautfarbe ist wie die ihrer Eltern. Dunkler halt. Beide sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie verstehen sich als Deutsche. “Und sie sprechen so ein gutes Deutsch. Da wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass sie vielleicht Türken oder Araber sind.” “Sie sprechen aber gut Deutsch”, hören die beiden immer mal wieder. Darauf gehen sie inzwischen gar nicht mehr ein. “Die einzigen in meinem Bekanntenkreis, die kein Deutsch sprechen können, sind ältere Menschen.”, denkt sich Sevil und wundert sich immer wieder, über diese eigenartige Aussage oder Erwartung.
Sevil ändert das Thema. “Die Wohnung ist wirklich sehr schön. Sie haben am Telefon gesagt, dass wir heute direkt unterschreiben können”, sagt sie freundlich und versucht sich allein auf die Wohnung zu freuen. “Nun ja”, beginnt der Vermieter. Er zögert und scheint nicht recht zu wissen, was er entgegnen soll. “Der Vertrag ist noch nicht abgesegnet. Deswegen habe ich ihn nicht dabei. Ich werde sie telefonisch benachrichtigen. Dann können Sie noch einmal vorbeischauen.” Das gefällt Deniz gar nicht. Aber er sagt nichts. Das Ehepaar schaut sich in Ruhe die Wohnung an und verabschiedet sich dann vom Vermieter. Unterwegs sprechen sie darüber, wie es verlaufen ist. “Ich hab’ kein gutes Gefühl”, sagt Sevil. Deniz geht es genauso. Am nächsten Tag entscheidet sie sich, den Vermieter vorzeitig nochmal anzurufen. “Tut mir leid, aber an Türken vermiete ich nicht”, sagt er.

Aus dem Alltag Chancengleichheit! Oder?


Aus dem Alltag

Chancengleichheit! Oder?

Benachteiligung aufgrund der Herkunft oder Religion gibt es überall – auch in Deutschland. Ob jemand „voll integriert“ und qualifiziert ist, spielt dabei keine große Rolle. Die Stereotype und Vorbehalte sitzen nunmal fest in den Köpfen. Wie sich diese im Alltag bemerkbar machen, schreibt Sebahat Özcan, ausgehend von einer (leider) wahren Geschichte.
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Schule © by EnergieAgentur.NRW
auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ
Schule © by EnergieAgentur.NRW auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ
In der Pause macht sich Hasan auf den Weg zum Lehrerzimmer. Er klopft. Die Tür wird direkt geöffnet. “Hallo, Herr Nowak. Ich wollte gern zur Frau Schneider.” Freundlich zwinkert er Hasan zu, “Augenblick.” Wenig später erscheint sie vor der Tür. Sie lächelt und schaut Hasan dabei unter ihrer Brille an. “Bitte, Hasan?” “Ich möchte mit Ihnen über meine Note sprechen. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?”, fragt er. “Natürlich”, entgegnet sie und schließt die Lehrerzimmertür hinter sich.
“Frau Schneider, ich kann meine Note ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Ich habe in allen Tests eine 2 gehabt. Es ist nicht möglich, dass ich eine 4 auf’m Zeugnis bekomme.” “Das ist wahr, Hasan. Aber mündlich bist du eher eine 5. Da kann ich nichts machen.” Der Satz trifft ihn wie eine Ohrfeige. “W..wie?” Hasan ist überrascht. Er hat sich doch regelmäßig gemeldet. Er hat sogar dieselbe Leistung erbracht, wie Sarah und Tom. Sie haben ebenfalls alle Tests mit einer 2 bestanden und sind mündlich wie er. Wie kann das sein? “Ich melde mich mindestens einmal die Stunde. Das kann keine 5 sein. Es gibt auch andere in der Klasse, die genau dieselbe Leistung erbracht haben. Warum haben die anderen dann bessere Noten als ich?” “Ich weiß nicht von wem du sprichst, Hasan.” “Frau Schneider,…”, setzt er nochmal an und spürt deutlich, wie seine Verwunderung und Aufregung zunimmt. Seine Hilflosigkeit schnürt ihm den Hals zu. “Warum tut sie das?”, denkt er sich.
Er wird von seiner Chemielehrerin unterbrochen. “Hasan, ich denke nicht, dass du ein Abitur schaffen würdest. Du solltest dich lieber für eine Ausbildung bewerben, bevor es zu spät ist.” Starr blickt er drein. “Ich kenne so viele Beispiele. Ausländische Schüler machen meist einfach nur schlechte Erfahrungen dort und gehen dann doch wieder ab. Das Abitur ist nichts für dich. Du wirst es nicht schaffen.” Sie schaut ihn tröstend an, lächelt kurz und verschwindet zurück ihm Lehrerzimmer.
“Hasan sah ganz schön besorgt aus vor der Tür. Was ist denn mit ihm?”, fragt Herr Nowak, sobald sie den Raum betritt. “Es ging um seine Note. Er war nicht zufrieden und wollte mit mir darüber sprechen”, sagt sie kurz. “Immerhin geht es um die 10. Klasse, Abschlusszeugnisse. Da möchte man das bestmögliche rausholen. Er will ja das Abitur machen. Was hat er denn bekommen?” “Er, mündlich eine 5, Dieter.” “Was?!”, Herr Nowak verschluckt sich fast an seinem Kaffee. “Hasan ist so aufgeweckt und mitteilungsbedürftig. Ich hab’ ihn im Unterricht immer sehr aktiv erlebt. Wie kann das sein?” Frau Schneider sieht ihn entschlossen an und sagt mit ruhiger Stimme: “Ganz ehrlich, Dieter. Was soll denn werden, wenn alle ausländischen Kinder studieren? Ich denke dabei an die Zukunft. Wir brauchen auch Fabrikarbeiter, oder nicht? Es ist doch nicht schlimm, wenn Hasan ganz wie sein Vater in einer Fabrik arbeitet.”